Ein Teil der Kritik an der deutschen Blogosphäre ist sicherlich gerechtfertigt. Es gibt ihn nämlich, den Selbstüberschätzer par excellence. Den Blogger, der sich für omnikompetent hält und glaubt, über alles und jedes Thema eine qualifizierte Meinung, wie auch eine pseudoobjektiv wirkende Bewertung zum Besten geben zu können.
Es gibt einige dieser Spezies, aber heute möchte ich eigentlich nur auf den Spiegelfechter Jens Berger hinaus. Im richtigen Leben, dem Vernehmen nach, Öffentlichkeitsarbeiter (Was auch immer das konkret bedeuten mag. Vom Flyerverteiler an der U-Bahn bis zum PR-Strategen ist alles denkbar.) für einen kommunalen (Energie-)Versorger, mutiert er in den Stunden seines Feierabends zu einem Experten der Welt-, der Innen-, der Außen-, der Gesundheitspolitik. Sogar zum Experten für inneramerikanische Angelegenheiten ist er schon geworden, vom Nahost-Konflikt natürlich auch nicht zu schweigen. Scholl-Latour ist ein Niemand gegen Berger.
Auch die anderen als Experten renommierten ständigen Entäußerer, meist beschäftigt bei irgendwelchen einschlägigen Stiftungen, (Nicht-)Regierungsorganisationen oder Redaktionen können Berger in seiner umfassenden publizistischen Vielfalt nichts adäquates entgegensetzen. Berger ist der Mastermind des politischen Themas.
Ich räume ein, dass ich zu Beginn auch gern den ein oder anderen Beitrag des Spiegelfechters gelesen habe. Da schien mir noch eine gewisse thematische Homogenität gegeben. Allerdings klingelte irgendwann überlaut die Alarmglocke in meinem Oberstübchen. In etwa so, wie sie klingeln würde, wenn mir mein Internist anböte, zusätzlich mein Firmennetzwerk zu betreuen, meine Steuererklärungen zu optimieren und mich in Rechtsfragen zu beraten. Selbstverständlich könnte ich bei ihm auch stets frisches Fleisch zu günstigen Konditionen kaufen und wenn ich mal in den Urlaub wollte, hätte er da noch seine Reiseagentur.
Allein in den letzten zwei Wochen ging es bei Berger um China, Iran, Kuba, Glos Konjunkturprogramm, den Nichtraucherschutz, Medwedew, Condoleeza Rice, sowie die Krise der US-Finanz- und Immobilienmärkte. Und das alles in einer Schreibe und einer Lengthiness, wie man sie nur von ausgewiesenen Experten zum jeweiligen Thema erwarten würde.
Mich stört das deshalb, weil sämtliche Berger-Texte den Eindruck vermitteln und sicherlich vermitteln wollen, da schriebe ein Experte nicht nur seine Meinung, sondern eine objektive Wahrheit hin. Und spätestens an diesem Punkt sind wir nicht mehr bloß beim Thema Meinungsäußerung, sondern da beginnt eine Form politischer Propaganda.
Insofern ist es interessant, dass Berger selber in seinem About behauptet, er sei sozusagen der Counterpart der an allen Orten anzutreffenden Spiegelfechter aus der öffentlichen Politiklandschaft. Zitat:
Mittlerweile wird es immer schwerer in den Medien Wahrheit von Spin oder vorsätzlicher Lüge zu unterscheiden.Spiegelfechtereien sind es mit denen die Medien uns beschäftigen.
Auch wenn man diese Aussagen nicht falsch finden wird, ist sein Blog dennoch nicht Teil der Lösung. Der Spiegelfechter fügt den Spiegelfechtereien nämlich lediglich eine weitere hinzu und steht nicht einmal dazu, sondern gibt sich „neutral“. Zitat:
Ich versuche parteipolitisch neutral zu bleiben, was meist heißt, dass alle Parteien ihr Fett wegkriegen.
Wieso aber wird Berger in Blogdorf dennoch als einer der Top-Politikblogger gehandelt? Das hat sicher mit Blogdorf mehr zu tun als mit Berger. Guck mal, die Bloggerei ist doch was großes. Da haben wir einen in unseren Reihen, der hochtrabendes Zeug schreibt und der wird damit auch von den größeren Medien wahrgenommen. Dass gerade die Darstellung Bergers im seinerzeitigen Spiegel-Artikel mehr eine (berechtigte) Verhohnepipelung als alles andere war, nimmt der durchschnittlich intelligente Blogger vermutlich dabei gar nicht wahr.
Ich jedenfalls werde auch in Zukunft nicht meinen Steuerberater konsultieren, wenn ich Oberbauchbeschwerden habe. Und das empfehle ich den geneigten LeserInnen ebenfalls…